382.

Vater der du bist im Himmel

Solange Gewitter noch wandern von Land zu Land,
solange Wahnsinn herrscht oder Unverstand,
solange das Elend noch stumm durch die Straßen zieht,
gehe ich ins Gebet.

Solange Männer für neue Kriege werben,
solange Greise hilflos wie Bettler sterben,
solange Kinder zum Hungern geboren werden,
ist kein Friede auf Erden.


Sieh, es tut Not, dass der Hass aus der Welt verschwindet,
dass alles Halbe und Falsche ein Ende findet,
dafür halte ich das Herz und die Hände bereit,
denn jetzt ist an der Zeit!
Hier hast du meine Hände und mein Herz,
kannst du ihn damit lindern den Schmerz
der Welt? Sag mir, wie viel Zeit ist uns noch gegeben,
wie oft muss ich dir noch mein Herz und meine Hände geben?

Dächt ich über den Wahnsinn nach nur eine Stunde,
tät es in mir aufreißen eine klaffende Wunde.
Unsere Weltmeere, rot würden sie sich färben,
dächte die gesamte Menschheit nach über das sinnlose Sterben.

Gib du mir bitte keine Schuld.
Siehst du denn nicht auch meine Wut,
die in Flüsse verwandelt meine Tränen?
Ich bin zu schwach. Ewig werde ich mich grämen.

Denn ich höre sie schreien, die Opfer, gestorben durch den Unverstand.
Ihre Schreie wehen übers Meer an jeden Strand.
Woher sie kommen? Ihre Heimat ist jedes Land
der Welt, eingebettet in der roten Wiege des Untergangs.

Doch solange die Sonne aufgeht Tag für Tag,
solange neues Leben die Erde erstarkt,
solange wir noch das Gefühl von Freude erleben,
dürfen wir die Hoffnung auf Besinnung nie aufgeben.


Rolf Högemann