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Paracelsus über Ursachen und Wesen der Krankheit

1. Ihr wisset, dass alle Gesundheit und Krankheit von Gott kommt. Und merket denn wohl, dass Gott uns in unseren Krankheiten anzeiget, dass wir sehen sollen, dass all unser Sach' nichts ist und dass wir in keinen Dingen gut gegründet sind und die Wahrheit wissen, sondern dass wir in allen Dingen bresthaft sind und unser Können und Wissen nichts ist.

2. Aber Gott gibt zu unseren Krankheiten auch die Arznei! - Und das merket ferner, dass all unsere Krankheiten geheilt werden sollen in der Stunde der Zeit und nicht nach unserem Begehren und Willen. Den Zeitpunkt der Gesundheit aber weiß kein Arzt. Denn Gott hat ihn in Seiner Hand. Und es ist eine jegliche Krankheit ein Fegefeuer (Läuterungs-, Reinigungsfeuer). Darum mag kein Arzt gesund machen, es sei denn, dass von Gott dies Fegefeuer aus sei.

3. Da eine jegliche Krankheit ein Fegefeuer ist, soll ein Arzt wissen und gedenken, dass er sich nicht vermesse der Stunde der Gesundheit oder der Stunde seiner arzneilichen Wirkung. Denn dies stehet in Gottes Hand. Ist die göttliche Bestimmung nicht so, wie ihr Ärzte sie euch vorstellet, so macht ihr mit keiner Arznei den Kranken gesund. - Ist aber die Stunde der göttlichen Bestimmung da, so macht ihr den Kranken gesund.

4. Auch merket das: So euch ein Kranker zukommt, den euch Gott schickt, so wird er gesund durch eure Arznei. Wo er aber nicht gesund wird, so ist er auch nicht von Gott zu euch geschickt. Denn so die Zeit und Stunde der Erlösung da ist, dann schickt Gott den Kranken zum Arzt und vorher nicht.

5. Die unwissenden Ärzte sind Fegeteufel, von Gott zugesandt den Kranken. - Der wissende Arzt dagegen ist denen gesandt, über die Gott verhängte die Stunde der Gesundheit. - Auch sollt ihr merken, dass die göttliche Bestimmung nicht zurückgenommen wird, sei der Arzt so gut und günstig, wie er wolle. Die Stunde muss da sein für das Ende des Fegefeuers! Und wenn der Arzt zur Seligkeit und Gesundheit nicht von Gott zugeschickt wird, dem ist von Gott auch keine Gesundheit bestimmt.

6. Dieweil also Gott den Arzt zufügt den Kranken, bedenket, ob der Arzt durch seine Kunst etwas schafft oder nicht! - Es ist so: Gott hat geschaffen die Arznei über die Krankheiten und den Arzt dazu! Aber Er verhält es den Kranken so lang, bis die Zeit und Stunde kommt. Alsdann wird vollbracht der Gang der Natur und der Kunst - und vorher nicht!

7. Dass Gott Verursacher aller Krankheiten sei, das versteht also: Er, der geschaffen hat sowohl das, was uns nütze ist, hat auch geschaffen, was uns widerwärtig ist, darum dass wir unser Fegefeuer haben. Dieweil Er der ist, der uns die Krankheit geschaffen hat, so könnte Er dieselbe auch wieder von uns nehmen, ohne den Arzt, wenn die Zeit und Stunde da und ein Ende des Fegefeuers gekommen ist. Dass dies aber nicht geschieht, das merket also: Gott will nichts ohne den Menschen tun! - Tut Er Wunder, so tuet Er's den Mensch und durch Menschen, und macht Er wunderbarlich gesund, so tut Er auch das durch Menschen.

8. Dass aber zweierlei Ärzte sind, nämlich solche, die wunderbarlich heilen und andere, die durch Arznei heilen, das verstehet dadurch, dass in einem Wunder der Glaube wirkt. - Wo aber der Glaube nicht so stark, die Stunde des Fegefeuers aber aus ist, da vollbringt der Arzt (mit der Arznei) das Wunder, das Gott wunderbarlich täte, so der Glaube im Kranken wär'.

9. Wir sollen also glauben, dass alle unsere Krankheiten Flagellen (Geißeln) sind und Exempel und Anzeigung - und dass Gott uns dieselben hinwegnimmt durch unseren christlichen Glauben, nicht auf heidnische Weise durch die Arznei. - Der Kranke, der auf die bloße Arznei hofft, ist kein Christ. Der aber zu Gott sein Vertrauen setzt, der ist ein Christ. Er lässt daher Gott darum sorgen, wie Er ihn gesund mache, es sei wunderbarlich durch Heilige, durch eigene Kunst, durch Arzt oder alte Weiber.

10. Das sollt ihr Christen merken, dass Gott der Erzarzt ist! Er ist der Gewaltigste, ohne den nichts geschieht! - Die Heidnischen, die Ungläubigen, die schreien zu Menschen um Hilfe. Aber ihr sollt zu Gott schreien! - Er wird euch gar wohl zuschicken den Gesundmacher, es sei ein Heiliger oder ein Arzt oder - Er selbst.


Paracelsus