74.

Schlicht marschieren

Kämpfe, und verschmerze mit treuem,
tapferem Herzen Wunden an Leib und Seele;
aber glaube nicht, dies sei das Schwerste!
Warten lernen und schlicht marschieren ,
das ist, durch den Geist erprobt, der Prüfstein dafür, ob
Er dir den Siegeslohn geben kann oder nicht.
Das stille, freundliche Ertragen der kleinen täglichen und stündlichen
Beschernisse, der feinen Nadelstiche im täglichen Leben, das willige,
treue Erfüllen der geringen immer wiederkehrenden Verrichtungen und
Obliegenheiten, für die einem niemand dankt, die niemand zu beachten
scheint, das sanfte Dulden und Hinnehmen von mancherlei Lasten,
Demütigungen und Unfreundlichkeiten von anderen, deren man sich nicht
erwehren kann, ohne das Gebot der Liebe zu verletzen: das heißt
schlicht marschieren und ist tausendfach schwerer als in großen Kämpfen
tapfer zu sein, wo alle Welt einen sieht und bewundert.


W. Griesinger